Center for Regional Economic Development (CRED)

Standortdynamik und regionale Wirtschaftspolitik

Kernkompetenz: Urbanisierung und Peripherie

Urbanisierung bezeichnet einerseits das zunehmende Wachstum von Städten hin zu urbanen Agglomerationen und andererseits die zunehmende Verflechtung von Stadt und Land bzw. Peripherie. Urbane Zentren bieten heute Lebensraum für mehr als 50 Prozent der globalen Bevölkerung und sind wichtige Motoren des wirtschaftlichen Fortschritts. Gleichzeitig geraten periphere Räume im Zuge der Urbanisierung immer mehr an den Rand.

Die mit der Urbanisierung und Peripherisierung einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Prozesse haben weitreichende Konsequenzen für die regionale Entwicklung. So stellen sich Fragen über die Rolle der unterschiedlichen Raumtypen (z.B. Agglomerationen, Kleinstädte, ländliche Räume, Berggebiete), den adäquaten Service Public in den ländlichen Räumen, Stadt-Land Beziehungen sowie die Herausforderungen der Digitalisierung.

Unsere Arbeit zum Thema Urbanisierung und Peripherie umfasst zwei Kernbereiche: Erstens untersuchen wir die Mechanik sogenannter Agglomerationskräfte, welche erklären, weshalb sich die Wirtschaftsleistung überproportional in Städten ballt und Menschen bereit sind, Preisaufschläge für zentrumsnahen Wohnraum in Kauf zu nehmen. Zweitens befassen wir uns mit der Auswirkung der fortschreittenden Urbanisierung auf die wirtschaftliche Entwicklung von unterschiedlichen städtischen Räumen sowie peripheren Gebieten und leiten daraus Implikationen für regionalpolitische Strategien ab.

Formen sich in Städten effizientere soziale Netzwerke?

Weshalb sich die globale Wirtschaftsleistung überproportional in Städten ballt und Menschen bereit sind, Preisaufschläge für zentrumsnahen Wohnraum in Kauf zu nehmen, ist seit je her eine zentrale Frage der Regionalökonomie. In diesem Projekt untersuchen wir eine Hauptthese zu Agglomerationskräften, welche Städten potentiell einen Produktivitätsvorsprung verschaffen und damit die heutigen Urbanisierungsraten erklären können: Ballungsräume sind produktiver und bieten ein höheres Lohnniveau, weil die Bevölkerungsdichte soziale Netzwerke effizienter macht und deshalb die Diffusion von Information und Wissen beschleunigt.

Anonymisierte Mobiltelefondaten zur Schweiz erlauben uns, soziale Netzwerke sichtbar zu machen und drei – aus dem obigen Argument abgeleitete – Hypothesen zu überprüfen:

  • Erstens belegen wir, dass soziale Interaktion mit räumlicher Entfernung stark nachlässt; dieser Befund bestätigt die Grundannahme für den oben beschriebenen Agglomerationskanal.
  • Zweitens dokumentiert unsere Studie, dass soziale Netzwerke in Städten tatsächlich effizienter sind: Während die Bevölkerungsdichte keinen Einfluss auf die durchschnittliche Anzahl sozialer Kontakt hat, ist in Städten nicht nur die Matchqualität besser, sondern sind auch Redundanzen, welche die Informationsdiffusion verlangsamen, schwächer ausgeprägt.
  • Drittens zeigen Grafiken 2a bis 2c, dass sich Unterschiede in der Netzwerkstruktur in Landpreisen kapitalisieren: Wie vermutet erhöhen der Zugang zu (2a) kontaktreichen Netzwerken mit (2b) hoher Matchqualität die Zahlungsbereitschaft für Land, während (2c) ein hoher Anteil redundanter Kontakte die Landpreise drücken.

CRED: Urbanisierung und Peripherie / Urbanisation and periphery
Grafik 1: Netzwerke mit vielen Kontakten, guter Matchqualität und geringer Redundanz erhöhen Landpreise.

Insgesamt können die untersuchten Netzwerkstrukturen 25 Prozent der Landpreisunterschiede zwischen Städten und peripheren Gebieten in der Schweiz erklären. Diese neue Evidenz für positive Externalitäten hoher Bevölkerungsdichte schliesst eine langjährige Lücke in der regionalökonomischen Debatte.

Laufende Projekte zum Thema Urbanisierung und Peripherie

 Arbeitstitel Fragestellung
Autoren
Orte, die keine Rolle spielen? Sozioökonomischer Wandel der Industriestädte in der Schweiz und Slowenien (SNF, 11/2020 – 11/2023) Inwiefern verändern sich kleine und mittelgrosse Städte hinsichtlich ihrer industriellen Struktur? Heike Mayer, Arnault Morrison, Cédric Lehmann, KollegInnen des Anton Melik Geographical Institut, Ljubljana
Cities and the Structure of Social Interactions: Evidence from Mobile Phone Data
Formt Bevölkerungsdichte die Struktur sozialer Interaktion?
Konstantin Büchel, Maximilian von Ehrlich
Calling from the Outside: The Role of Networks in Residential Mobility Kann die Wohnortswahl mithilfe von Mobiltelefondaten vorhergesagt werden? Konstantin Büchel, Maximilian von Ehrlich, Diego Puga (CEMFI), Elisabet Viladecans-Marsal (IEB)
Digital Multilocality: Analyzing Urban-Rural Linkages in the Context of Co-Working Spaces in the Swiss Alps Inwiefern verändert die Digitalisierung die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten und Standorte in Berggebieten nutzen werden? Reto Bürgin, Heike Mayer, 
The Hidden Consequences of Digitalization for the Spatial Economy
Wie wirkt sich die fortschreitende Digitalisierung auf die räumliche Organisation der Wirtschaft aus? Maximilian von Ehrlich, Markus Schläpfer (ETHZ)
Slow Innovation in Europe’s Peripheral Regions Wie gestalten sich Innovationsprozesse in peripheren Räumen und wie unterscheiden sie sich von städtischen Innovationsprozessen?
Heike Mayer