Center for Regional Economic Development (CRED)

Standortdynamik und regionale Wirtschaftspolitik

Kernkompetenz: Digitale Transformation

Die Forschung dieser Kernkompetenz ist Teil des Schweizerischen Nationalen Forschungsprogramms "Digitale Transformation" (NRP 77), welches die Zusammenhänge und Auswirkungen der digitalen Transformation untersucht.

Mit dem Aufkommen der Digitalisierung verändern sich die Spielregeln, wo und wie wir arbeiten: Es entstehen flexiblere Strukturen, Wissensbildung wird zum primären Treiber des wirtschaftlichen Erfolgs, und vor allem kann sich die Relevanz räumlicher Nähe verändern, da die Digitalisierung soziale Kontakte ohne räumliche Nähe ermöglicht. Diese drastische Verschiebung erstreckt sich nicht nur darauf, wie wir unser Einkommen verdienen, sondern auch darauf, wie wir es ausgeben. Der ausgeprägte Anstieg von E-Commerce in den letzten Jahren zeigt deutlich die zunehmende Relevanz von onlinebasierten, zeit- und ortsunabhängigen Konsummöglichkeiten. Gleichzeitig gewinnt das home-office zunehmend an Bedeutung.  Dies Veränderungen in der Art und Weise, wie wir unser Geld verdienen und ausgeben, werden wahrscheinlich die räumliche Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten beeinflussen. Auf der Makroebene wird die Digitalisierung das Gleichgewicht zwischen Agglomerations- und Dispersionskräften beeinflussen und damit auch, ob Städte auf Kosten peripherer Regionen gewinnen oder umgekehrt. Auf der Mikroebene kann sich die Organisation der wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der Städte verändern.

Die Zukunft der Städte in einer Welt des Home-Office

Die jüngste COVID-19-Pandemie könnte die Zukunft der Arbeit und der Städte für immer verändern. Die umfassende Beseitigung zugrundeliegender technischer Hindernisse in Verbindung mit einer sich verändernden Arbeitskultur könnte dazu führen, dass ein immer größerer Teil der Arbeiten mobil oder regelmäßig von zu Hause aus erledigt werden. Dies könnte auch erheblichen Einfluss auf die Entscheidung haben an welchen Orten künftig der öffentliche Sektor in lokale Infrastrukturprojekte oder Bauvorhaben investieren sollte, sowie die allgemeine Zielrichtung von Regionalpolitik grundlegend verändern. Trotz der offensichtlichen Bedeutung dieser Entwicklung ist noch sehr wenig über die damit verbundenen Auswirkungen auf die räumliche Struktur von Volkswirtschaften bekannt.

In diesem Projekt wollen wir dies ändern, indem wir analysieren, wie sich die zugrundeliegenden Kräfte, die die räumliche Verteilung der Wirtschaftstätigkeit beeinflussen, in einer Welt zunehmender Fernarbeit verändern. Dazu berechnen wir einen Index, welcher für einzelne Berufe und Arbeitsmarktregionen die Möglichkeit abbildet, von zu Hause aus zu arbeiten (working from home, WfH). Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, wird hauptsächlich durch die Digitalisierung der Arbeitsprozesse, eine geeignete IT-Infrastruktur innerhalb des Unternehmens, die Verfügbarkeit digitaler Kommunikationsinstrumente und Weiterbildungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer beeinflusst. Abbildung 1 zeigt, dass im April und Mai 2020 (nach dem ersten Lockdown in Deutschland) genau in den Arbeitsmarktregionen, in denen die Arbeitnehmer eine höhere Fähigkeit hatten, von zu Hause aus zu arbeiten, ein größerer Rückgang des Pendelverkehrs zwischen den deutschen Kreisen und kreisfreien Städten zu verzeichnen war. Eine mögliche Erklärung für dieses Muster könnte eine höhere Anzahl von Arbeitnehmern sein, welche in der ersten Phase der COVID-19-Pandemie von zu Hause aus gearbeitet haben. Dies ist zwar an sich informativ, sagt uns aber wenig darüber, wie sich die räumliche Verteilung von Fähigkeiten, Menschen und Ideen ändert, wenn immer mehr von zu Hause gearbeitet wird. Wie verändert sich die Produktivität der Arbeitnehmer und der Unternehmen? Inwieweit sinken die durchschnittlichen Pendelkosten, wenn es weniger notwendig sein wird, an 5 Tagen die Woche an den ursprünglichen Arbeitsort zu pendeln? Welche Auswirkungen hat dies für die Wahl des Wohnortes? In welcher Beziehung steht dies zum allgemeinen Wohlfahrtsniveau der Volkswirtschaft, wenn sich Haushalte nun entscheiden können, an Orten zu leben, für die sie stärkere Präferenzen haben, und nicht dort, wo die Pendelkosten niedrig genug sind? Wer arbeitet wo und müssen Menschen in der Nähe dieser Orte leben?

CRED: Digitale Transformation
Abb.: 1: Arbeit von zu Hause aus (WfH) und Reduzierung des Pendelverkehrs, April - Mai 2020.

Um diese Fragen genauer zu beleuchten, quantifizieren wir ein allgemeines Gleichgewichtsmodell, welches das Pendelverhalten und die Migration heterogener Arbeitnehmer umfasst. Zur Quantifizierung des Modells verwenden wir detaillierte administrative Daten für den deutschen Arbeitsmarkt. In unserem Ausgangsgleichgewicht sind alle Arbeitnehmer indifferent zwischen der Wahl alternativer Arbeitsort- und Wohnortkonstellationen. In einem kontrafaktischen Szenario analysieren wir dann, wie sich das Gleichgewicht ändert, wenn alle Arbeitnehmer mit dem höchsten WfH-Potenzial aufhören, zu ihrem ursprünglichen Arbeitsplatz zu pendeln, und stattdessen ihre Arbeit an ihrem Wohnort ausführen. In diesem vollständig flexiblen Modell passen sich die Preise und Pendelkosten an diese neue Situation an, und die wirtschaftlichen Akteure überdenken ihre anfänglichen Standortentscheidungen. Die lokale Produktivität und Verstopfung (Bspw. in Form von niedrigeren Miet- und Häuserpreisen) passen sich an, wodurch einige Orte weniger und andere attraktiver werden. Die Arbeiter werden wandern, bis die (erwarteten) Nutzen im neuen Gleichgewicht wieder über alle Arbeitsort- und Wohnortkonstellationen ausgeglichen sind. Dieses kontrafaktische Szenario ermöglicht es uns, die Konsequenzen einer verstärkten Nutzung von zu Hause zu arbeiten für die räumliche Verteilung der Wirtschaftstätigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesamtproduktivität, die Produktion und das Wohlbefinden zu analysieren.

Who holds cities together?

Städte sind Plattformen für soziale Interaktionen, die aus komplexen Netzwerken von Individuen mit unterschiedlichen Geschichten und Hintergründen bestehen. Diese sozialen Netzwerke sind von besonderer Bedeutung, da sie das Lernen und Innovations-Spillover fördern und zur Informationsverbreitung und Agglomerationsökonomie beitragen. Mobilitätsveränderungen, vor allem verursacht durch neue digitale Möglichkeiten, verschieben die Struktur dieser Netzwerke, die urbane Räume, wie wir sie kennen, prägen. Eine ausgeprägte Veränderung die wir in diesem Projekt untersuchen ist die Corona Pandemie mit den einhergehenden Mobilitätsveränderungen.

Dieses Projekt beabsichtigt zu verstehen, wie die Exposition von Individuen gegenüber verschiedenen demographischen Gruppen durch solche Mobilitätsveränderungen beeinflusst wird. Unter Verwendung anonymisierter Handy-Daten für mehr als 1,2 Millionen Individuen in Singapur (21% der Bevölkerung von 2020) zwischen September 2019 und Mai 2020 bewerten wir, wie die soziale Durchmischung durch verschiedene Mobilitätsschocks beeinflusst wird, einschliesslich der Covid-19-Massnahmen zu «social distancing», starker Luftverschmutzung und Wetteranomalien. Dazu berechnen wir auf Basis der Handydaten sogenannte «Co-location» indices. Insbesondere dokumentieren wir, dass, während ethnische Gruppen (z.B. Chinesen, Malaien, Europäer, Inder, etc.) und Altersgruppen robust gegenüber starken Mobilitätsschocks zu sein scheinen, die Exposition gegenüber anderen unterschiedlichen Demografien reduziert ist.

Aufbauen auf diese Ergebnisse konzentrieren wir uns auf die Bindungen, die diese verschiedenen demographischen Cluster zusammenhalten. Wir berechnen einen Betweenness-Centrality-Index für jeden Knoten und identifizieren die Akteure und Orte, die für den Zusammenhalt des Netzwerks entscheidend sind. Wir schliessen dies mit einer Perkolationsanalyse ab, um abzuschätzen, wer und wie viele Agenten aus dem Netzwerk der Stadt entfernt werden müssen, damit dieses in eine Vielzahl von demographisch homogenen Clustern zerfällt.

Insgesamt bietet dieses Projekt neue Einblicke in die wichtigsten Agenten und Orte, die städtische Netzwerke zusammenhalten. Zu Beginn des digitalen Zeitalters wirft es ein Licht auf den Prozess, durch den die verringerte Mobilität die sozialen Bindungen der Städte reduziert und gleichermassen die Agglomerationkräfte beeinträchtigen kann.

The value of consumption access and the impacts of E-commerce

In diesem Projekt entwickeln einen neuartigen Rahmen für die Bestimmung von Konsumgebieten für verschiedene Arten von soziodemografischen Bevölkerungsgruppen. Ähnlich zur Bestimmung von Arbeitsmarktgebieten wird in diesem Projekt ein durchschnittlicher Perimeter der Konsumaktivitäten identifziert. Dieser strukturelle Rahmen liefert Informationen über den Wert des Konsumzugangs d.h. der Nähe zu Geschäftszentren, Restaurants, Kaffees etc. aufgrund der dortigen Konsummöglichkeiten. Wir identifizieren potenzielle Fallstudien in der Schweiz, in denen die Digitalisierung in Form von Online-Shopping zur Verdrängung traditioneller innerstädtischer Einzelhandels- und Kaufhäuser beigetragen hat. Ziel ist es, zu quantifizieren, wie sich diese Verdrängungen nicht nur auf die Lage und Bedeutung von Konsumräumen auswirken, sondern auch auf die Ströme und räumlichen Interaktionen zwischen Individuen und Bevölkerungsgruppen.
 

CRED: Digitale Transformation

Laufende Projekte zum Thema Digitale Transformation

 Arbeitstitel Fragestellung
Autoren
Digitale Multilokalität: Stadt-Land Verbindungen in den Schweizer Alpen Wie verändert sich die Nutzung digitaler Technologien in Bezug auf Arbeit an einem urbanen und an einem peripheren Standort? Heike Mayer, Reto Bürgin, Sigve Haug, Alexander Kashev
The future of cities in a world of remote work How does the distribution of skills, people, and ideas across space change when more and more people work from home? Marcel Henkel, Maximilian von Ehrlich
Who holds cities together?
Markus Schläpfer, Pierre Magontier, Maximilian von Ehrlich
E-commerce
Frédéric Kluser, Tobias Seidel (University of Duisburg Essen), Maximlian von Ehrlich